KEINE BEGRENZUNG DES GRÜNDUNGSAUFWANDS AUF 10 % DES STAMMKAPITALS BEI SONSTIGEM FREIEN VERMÖGEN DER GMBH
Das Kammergericht Berlin hat mit Beschluss vom 26. Oktober 2021 entschieden, dass die Übernahme des Gründungsaufwands durch die Gesellschaft nicht in jedem Fall auf einen Betrag in Höhe von 10 % des Stammkapitals begrenzt ist. Eine prozentual höhere Übernahme ist insbesondere dann möglich, wenn der Gesellschaft freies Kapital in Höhe von einem Mehrfachen des Stammkapitals zur Verfügung steht.
I. Einleitung
In Gesellschaftsverträgen ist regelmäßig vorgesehen, dass die Gesellschaft ihren Gründungsaufwand, d.h. z.B. die Beratungs-, Beurkundungs- und Eintragungskosten bis zu einer gewissen Höhe übernimmt. Für die Aktiengesellschaft ist eine konkrete Festsetzung der Gründungskosten in der Satzung gemäß § 26 Abs. 2 AktG vorgeschrieben. Diese –für andere Gesellschaftsformen teilweise analog anzuwendende Vorschrift – ist Ausgangspunkt der Diskussion um die zulässige Höhe der Kostenübernahme. Den Schwerpunkt bildet dabei die sich anschließende Frage, ob im jeweiligen Einzelfall auch das Prinzip der Angemessenheit eingehalten wurde.
II. Anwendungsbereich und Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 AktG
§ 26 Abs. 2 AktG ist direkt nur auf die Aktiengesellschaft anwendbar, über die Verweisung des § 278 AktG jedoch auch auf die KGaA und nach allgemein anerkannter Rechtsprechung in analoger Anwendung auch auf die GmbH/UG. Die Verpflichtung zur Festsetzung der Gründungskosten ist eine Gläubiger- und Aktionärsschutzvorschrift, da hierdurch sichergestellt wird, dass der Umfang der Vorbelastung des Grundkapitals durch Gründungsaufwand für diese erkennbar ist. Hierin erschöpft sich gesellschaftsrechtlich weitgehend die Bedeutung des § 26 Abs. 2 AktG; eine Obergrenze für die zulässige Übernahme von Gründungsaufwand ist im Gesetz gerade nicht explizit vorgesehen. Allerdings ist auch steuerlich eine Übernahme der Gründungskosten seitens der Gesellschaft nur anerkannt, wenn die gesellschaftsrechtlichen Vorgaben erfüllt sind. andernfalls liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor.
Gleichwohl bildet die Festsetzung in der Satzung den Ausgangspunkt für die sich daran anschließende Prüfung der Angemessenheit.
Für die Zulässigkeit der Übernahme ist erforderlich, dass es sich um notwendige Kosten oder Aufwendungen handelt, die sich nach Art und Umfang im Rahmen des Angemessenen halten.
III. Bisherige Rechtsprechung zur zulässigen Übernahme
Das Registergericht prüft bei der Eintragung der Gesellschaft die Höhe der übernommenen Gründungskosten auf ihre Angemessenheit. Für die Beurteilung wird in der Rechtsprechung häufig der Gründungsaufwand in Abhängigkeit zum Stammkapital betrachtet. Regelmäßig wird die Übernahme von Gründungskosten bis zur Höhe von 10 % des Stammkapitals nicht beanstandet. Für eine UG wurde jedoch auch ein Gründungsaufwand in Höhe von 100 % als zulässig erachtet, insbesondere deshalb, weil aufgrund der zwingenden Firmierung als UG und dem gemäß § 5a Abs. 1 GmbHG zu führenden Zusatz „haftungsbeschränkt“ die Gläubiger auf die im Zusammenhang mit einer UG stehenden Risiken hingewiesen werden.
IV. Entscheidung des Kammergerichts (KG, Beschl. v. 26.10.2021 – 22 W 44/21, rkr.)
1. Sachverhalt (verkürzt)
Die Kommanditisten einer GmbH & Co.KG meldeten den Formwechsel aufgrund eines notariell beurkundeten Umwandlungsbeschlusses in eine GmbH an. Sämtliche zur Anmeldung erforderliche Angaben waren enthalten. Der Anmeldung war unter anderem auch eine Berechnung des Gründungsaufwands beigelegt.
Das AG Charlottenburg hat mit Schreiben vom 11.01.2021 die Regelung in § 15 des Gesellschaftsvertrags beanstandet, der die Übernahme von Gründungskosten in Höhe von EUR 10.000 vorsah. Nach einem Schreiben des Urkundsnotars mit der Bitte um eine beschwerdefähige Entscheidung, hat das AG Charlottenburg mit Beschluss vom 10.02.2021 die Anmeldung zurückgewiesen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde hat das AG Charlottenburg nicht abgeholfen und die Entscheidung dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2. Entscheidung und Begründung
Ausgangspunkt für die Entscheidung des Senats war auch hier die sich an § 26 Abs. 2 AktG anschließende Angemessenheitsprüfung. Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Charlottenburg besteht jedoch keine pauschale Begrenzung auf 10 % des Stammkapitals, da dies weder gesetzlich vorgeschrieben, noch auf sonstige Weise zwingend erforderlich ist. Insbesondere gebietet auch der § 26 Abs. 2 AktG innewohnende Gläubigerschutz keine derartige Beschränkung. Der Schutz Dritter wird im Sinne des § 26 Abs. 2 AktG durch die Offenlegung gewahrt. Erforderliche Begrenzungen, wenn überhöhte oder nicht belegte Kosten in Ansatz gebracht werden, rechtfertigen keine starre Grenze.
In einigen Fällen, so wie vorliegend bei einem höheren Unternehmenswert der KG, fallen beim Formwechsel zwingend höhere Notarkosten an, § 108 Abs. 3 S.1 GNotKG, als wenn der Wert des Stammkapitals maßgeblich wäre. In derartigen Fällen kann die Bestimmung des noch zulässigen Gründungsaufwands nicht anhand des Stammkapitals vorgenommen werden, da auch durch eine höhere Übernahme eine Beeinträchtigung Dritter nicht vorliegt. Aufgrund des vorhandenen Vermögens wird gewährleistet, dass auch nach Abzug der Verbindlichkeiten keine Unterfinanzierung zu Lasten der Gläubiger gegeben ist.
3. Folgen für die Praxis
Die 10 %-Regel wird weiterhin in der Rechtsprechung als Orientierungsmaßstab herangezogen werden. Bei der Neugründung einer GmbH ist dies in der Regel auch zutreffend, da hierdurch eine angemessene Wahrung der Gläubigerinteressen sichergestellt werden kann. Dennoch zeigt der vorliegende Beschluss deutlich, dass ein starres Festhalten an der 10 %-Grenze nicht zutreffend ist und stets der Einzelfall betrachtet werden muss. Insbesondere bei Umwandlungen von werthaltigen Unternehmen können daher auch deutlich über 10 % des Stammkapitals zulässigerweise von der Gesellschaft übernommen werden.
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