MITTEILUNGSPFLICHTEN BEI GRENZÜBERSCHREITENDEN STEUERGESTALTUNGEN – UMSETZUNG DER „DAC 6“
Seit dem 1. Juli 2020 gelten in Deutschland besondere Mitteilungspflichten für sog. grenzüberschreitende Steuergestaltungen. Sie sind das Ergebnis der Umsetzung der europäischen Richtlinie „DAC 6“. Grenzüberschreitende Steuergestaltungen sind mit einer Frist von 30 Tagen an das Bundeszentralamt für Steuern zu melden, ansonsten drohen Geldbußen. Die Finanzverwaltungen der EU-Mitgliedstaaten werden die offengelegten Informationen im Rahmen eines automatisierten Verfahrens untereinander austauschen.
I. Einleitung
Seit dem 1. Januar 2020 ist das „Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen“ in Kraft, und setzt damit die 6. Version der Amtshilferichtlinie (Directive on Administrative Cooperation, kurz „DAC 6“) um. Danach müssen ab dem 1. Juli 2020 sog. grenzüberschreitende Steuergestaltungen dem Bundeszentralamt für Steuern mitgeteilt werden. Bei Verstößen drohen Geldbußen in Höhe von bis zu 25.000 €.
Zweck der neuen Regelungen ist laut Gesetzesbegründung die zeitnahe Identifizierung und Verringerung von Steuervermeidungspraktiken und Gewinnverlagerungen, um eine Erosion des deutschen Steuersubstrats zu verhindern.
II. Mitteilungspflichtige Sachverhalte
Mitteilungspflichtig sind seit dem 1. Juli 2020 sog. grenzüberschreitende Steuergestaltungen. Dabei handelt es sich gemäß § 138d Abs. 2 AO um Gestaltungen
- a) in allen Steuerarten, mit Ausnahme der MwSt, der harmonisierten Verbrauchsteuern sowie der Zölle,
- b) die mehr als einen EU-Mitgliedstaat oder mindestens einen EU-Mitgliedsstaat und einen Drittstaat betreffen und
- c) die mindestens ein sog. Kennzeichen i.S.d. § 138e Abs. 1 oder 2 AO erfüllen.
Die Frage, ob ein sog. Kennzeichen vorliegt, ist komplex. Die diesbezüglichen Kennzeichen (auch „Hallmarks“ genannt) teilen sich in sog. bedingte und unbedingte Kennzeichen ein:
Zu den sog. bedingten Kennzeichen zählen insbesondere folgende Sachverhalte:
- Vereinbarung bestimmter Vertraulichkeitsklausel,
- Vereinbarung einer erfolgsabhängigen Vergütung,
- standardisierte Dokumentation oder Struktur,
- Gestaltungen mit verlustbringenden Unternehmen,
- Umwandlungen von Einkünften in nicht oder niedriger besteuerte Einnahmen, oder in nicht steuerbare Einkünfte,
- zirkuläre Vermögensverschiebungen und
- gewisse grenzüberschreitende Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen.
Als bedingte Kennzeichen werde sie bezeichnet, weil sie zusätzlich voraussetzen, dass der (oder einer der) Hauptvorteil der Gestaltung aus Sicht eines verständigen Dritten die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist (sog. Main-Benefit-Test).
Im Gegensatz zu den bedingten Kennzeichen führen unbedingte Kennzeichens bereits ohne diesen Main-Benefit-Test zum Vorliegen einer mitteilungspflichtigen Gestaltung. Hierzu zählen insbesondere:
- bestimmte abzugsfähige grenzüberschreitende Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen,
- die Ausnutzung von Qualifikationskonflikten,
- die Aushöhlung der Mitteilungspflicht bzgl. Finanzkonten,
- Gestaltungen mit intransparenten Ketten und
- bestimmte Verrechnungspreisgestaltungen.
III. Mitteilungspflicht am Beispiel einer Managementbeteiligung
Ob ein Sachverhalt eines der genannten Kennzeichen erfüllt, ist stets im Einzelfall zu beurteilen und hängt von der jeweiligen Gestaltung ab. Dies zeigt sich beispielsweise bei sog. Managementbeteiligungen.
Managementbeteiligungen sind Incentivierungsmaßnahmen, welche häufig beim Kauf eines Unternehmens (insbesondere durch Private-Equity-Fonds) zum Einsatz kommen. Um den angestellten Managern einen Anreiz zu schaffen, das Unternehmen weiter zu fördern und voranzubringen und an einer dadurch erreichten Wertsteigerung zu partizipieren, wird ihnen der Erwerb von Anteilen an der Gesellschaft angeboten. Besteht bei der Beteiligung ein grenzüberschreitender Bezug, bspw. durch Zwischenschaltung einer ausländischen Holding (häufig existiert eine Luxemburger Struktur), oder weil einer der Manager im Ausland ansässig ist, kann eine mitteilungspflichtige Gestaltung vorliegen. Als Kennzeichen kommen dabei insbesondere die folgenden in Betracht.
Managementbeteiligungsverträge beinhalten häufig Vertraulichkeitsklauseln. Enthalten diese keine Öffnungsklausel, aufgrund derer die Offenlegung der Gestaltung gegenüber Finanzbehörden erlaubt ist, kann das Kennzeichen des § 138e Abs. 1 Nr. 1 a) AO erfüllt sein, denn danach sind Vertraulichkeitsklauseln, die eine Offenlegung der steuervorteiligen Gestaltungsweise gegenüber Finanzbehörden verbietet, mitteilungspflichtig.
Des Weiteren kann die Managementbeteiligung unter die Meldepflicht fallen, wenn es sich um eine „standardisierte Dokumentation oder Struktur“ handelt, „die für mehr als einen Nutzer verfügbar ist, ohne dass sie für die Nutzung wesentlich individuell angepasst werden muss“ (§ 138e Abs. 1 Nr. 2 AO). Es wird versucht dies dadurch zu verhindern, dass der Beteiligungsvertrag individuell auf den jeweiligen Beteiligten zugeschnittenen wird.
Auch bei einer Gestaltung, die zur Umwandlung von Einkünften in nicht oder niedriger besteuerte Einnahmen oder nicht steuerbare Einkünfte führt, kann eine Mitteilungspflicht in Betracht kommen (§ 138e Abs. 1 Nr. 3 b) AO).
Bei allen Varianten gilt es zu beachten, dass es sich hierbei um bedingte Kennzeichen handelt, sodass für die Auslösung einer Mitteilungspflicht zusätzlich der Main-Benefit-Test erfüllt sein muss, also der Hauptvorteil der Gestaltung aus Sicht eines verständigen Dritten die Erlangung eines steuerlichen Vorteils sein muss.
Ob ein Managementbeteiligungsvertrag unter die Meldepflicht fällt, kann daher nicht pauschal beantwortet werden, und ist im Einzelfall zu prüfen. Auf die genannten Punkte ist bei der Gestaltung der Verträge zu achten, um nicht ungewollt eine Mitteilungspflicht auszulösen.
IV. Mitteilungspflichtige Inhalte und Personen
Liegt eine grenzüberschreitende Steuergestaltung vor, sind dem Bundeszentralamt für Steuern die folgenden Angaben mitzuteilen:
- Name, Anschrift, Ansässigkeit und Steueridentifikationsnummer des Nutzers, des sog. Intermediärs sowie ggf. verbundener Unternehmen,
- Einzelheiten zu den zur Mitteilung verpflichtenden Kennzeichen,
- eine Zusammenfassung des Inhalts der grenzüberschreitenden Steuergestaltung,
- Datum des ersten Schrittes der Umsetzung der Gestaltung,
- Einzelheiten zu einschlägigen Rechtsvorschriften aller betroffenen Mitgliedsstaaten,
- der wirtschaftliche Wert der Gestaltung,
- die von der Gestaltung betroffenen EU-Mitgliedsstaaten und
- Angaben zu von der Gestaltung unmittelbar betroffenen, in der EU ansässigen Personen.
Die Mitteilung hat grundsätzlich durch den sog. Intermediär, also bspw. den Steuerberater, der die Gestaltung konzipiert hat, zu erfolgen. Die Mitteilungspflicht kann jedoch auch dem Nutzer selbst obliegen, z.B. wenn der Intermediär einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegt, und der Nutzer ihn hiervon nicht entbindet.
Wurde eine grenzüberschreitende Steuergestaltung dem Bundeszentralamt für Steuern mitgeteilt, erhält der Intermediär anschließend zwei Nummern, nämlich die sog. Registriernummer („Arrangement ID“) für die mitgeteilte grenzüberschreitende Steuergestaltung sowie eine Offenlegungsnummer („Disclosure ID“) für die eingegangene Mitteilung. Der Nutzer hat diese beiden Nummern dann in seiner Steuererklärung des Jahres anzugeben, in der sich der steuerliche Vorteil der grenzüberschreitenden Steuergestaltung erstmals auswirken soll.
V. Fristen und Sanktionen
Für die Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen gelten sehr kurz bemessene Fristen. Gestaltungen ab dem 1. Juli 2020 sind innerhalb von 30 Tagen zu melden. Die Frist beginnt nach Ablauf des Tages, an dem zuerst
- die Gestaltung zur Umsetzung bereitgestellt wird,
- der Nutzer der Gestaltung zu deren Umsetzung bereit ist, oder
- mindestens ein Nutzer der Gestaltung den ersten Schritt der Umsetzung der Gestaltung gemacht hat.
Für Gestaltungen, die zwischen dem 25. Juni 2018 (Inkrafttreten der DAC 6) und dem 30. Juni 2020 erfolgt sind, besteht eine rückwirkende Mitteilungspflicht mit einer (im Prinzip bereits abgelaufenen Frist) bis zum 31. August 2020.
Verstöße gegen die Mitteilungspflicht können als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 25.000 € geahndet werden. Als Verstoß gelten fehlende, fehlerhafte, verspätete oder unvollständige Meldungen, sowie eine fehlende, fehlerhafte, verspätete oder unvollständige Angabe der Registrier- oder Offenlegungsnummer in der Steuererklärung.
VI. Fazit
Durch die Umsetzung der DAC 6 besteht nun ein umfangreicher und nicht ohne weiteres übersichtlicher Katalog an mitteilungspflichtigen Sachverhalten. Die kurze Frist von 30 Tagen zwingt außerdem zu einer zügigen Erkennung und Meldung. Insbesondere der Intermediär sollte daher die Prüfung einer etwaigen Mitteilungspflicht bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen stets im Blick behalten.
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