QUO VADIS, LIMITED? – AUSWIRKUNGEN DES BREXIT FÜR LIMITED-GESELLSCHAFTEN MIT VERWALTUNGSSITZ IN DEUTSCHLAND
Am 29.03.2019 endet die Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs in der EU. Dies hat zur Folge, dass Unternehmen in der Rechtsform der Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland ihre Niederlassungsfreiheit verlieren und in Deutschland, vorbehaltlich einer Übergangsfrist nach dem neuen „EU-Austrittsabkommen“, nicht mehr als solche anerkannt werden. Die Bundesregierung sowie das Bundesministerium für Finanzen reagieren hierauf mit zwei Gesetzesvorhaben, die den betroffenen Unternehmen den Übergang in eine andere Rechtsform erleichtern sollen.
I. Brexit und Limited: Gesellschaftsrechtliche Auswirkungen
Der Brexit steht bevor und aktuell kann auch ein „harter Brexit“ ohne jegliche Übergangsregelungen nicht ausgeschlossen werden. Für englische Ltd.´s mit Verwaltungssitz in Deutschland hat dies weitreichende Konsequenzen (vgl. Beitrag in unserem Newsletter 2018 | Q1).
Wegen der in der EU geltenden Niederlassungsfreiheit wird die in Deutschland geltende „Sitztheorie“, welche das anwendbare Gesellschaftsrecht nach dem Recht des Verwaltungssitzes bestimmt, durch die sog. Gründungstheorie verdrängt. Dadurch war es bislang möglich, eine Kapitalgesellschaft nach englischem Recht mit Sitz in Deutschland zu gründen. Mit Wirksamwerden des Brexit, vorbehaltlich anderweitiger Verhandlungsergebnisse, etwa eines Beitritts Großbritanniens zum EWR oder für die Dauer des von der EU jüngst verabschiedeten „EU-Austrittsabkommens“, werden diese Gesellschaften künftig wieder nach der Sitztheorie behandelt. Folge ist, wie aufgezeigt, dass sie, soweit sie selbst in Deutschland tätig werden und keine Geschäftstätigkeiten in Großbritannien haben, in Deutschland wie eine deutsche Personengesellschaft bzw. als Einzelkaufmann ohne Haftungsbeschränkung behandelt werden.
II. Geplante Gesetzesänderungen
Um dies zu vermeiden, ist eine Überführung betroffener britischer Ltd.´s in eine Rechtsform mit Haftungsbeschränkung notwendig. Diesen Vorgang sollen zwei aktuelle Gesetzesvorhaben in Deutschland erleichtern: Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Umwandlungsgesetzes (UmwG) vom 10.10.2018 und der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zum Brexit-Steuerbegleitgesetz vom 9.10.2018.
1. Gesetzesentwurf zur Änderung des Umwandlungsgesetzes
Das UmwG soll in den §§ 122 ff. geändert werden. Geplant sind zwei entscheidende Neuerungen: Zum einen soll künftig eine grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auch auf Personenhandelsgesellschaften möglich sein. Hierdurch wird den Gesellschaften eine Umwandlung zum Beispiel in eine Kommanditgesellschaft (KG) ermöglicht, an der sich entweder eine GmbH oder eine UG (haftungsbeschränkt) als persönlich haftender Gesellschafter beteiligen kann (GmbH & Co. KG bzw. UG & Co. KG).
Zum anderen enthält der neue § 122m UmwG eine zeitliche Übergangsregelung für alle grenzüberschreitenden Verschmelzungsvorgänge, bei denen als übertragender Rechtsträger eine Gesellschaft britischen Rechts und als übernehmender Rechtsträger eine Gesellschaft deutschen Rechts beteiligt sind. Die Verschmelzung soll unter zwei Voraussetzungen auch noch nach dem Brexit möglich sein: Erstens muss noch vor Wirksamwerden des Brexit der Verschmelzungsplan notariell beurkundet worden sein und zweitens muss die Verschmelzung unverzüglich, spätestens aber zwei Jahre nach diesem Zeitpunkt, zur Eintragung im Handelsregister angemeldet werden.
2. Referentenentwurf zum Brexit-Steuerbegleitgesetz
Der Entwurf des BMF enthält eine Änderung des § 22 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG), die verhindern soll, dass der Brexit bei früheren Einbringungsfällen nach § 22 Abs. 1 und Abs. 2 UmwStG (Sacheinlage oder Anteilstausch unter dem gemeinen Wert) die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns zur Folge hat.
Daneben soll auch § 4g Einkommensteuergesetz (EStG) angepasst werden: Wegen der künftigen Qualifikation Großbritanniens als Drittstaat wären nach derzeitiger Rechtslage gebildete Ausgleichsposten für Wirtschaftsgüter, die zuvor einer im Vereinigten Königreich belegenen Betriebsstätte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen zugeordnet wurden, sofort und in vollem Umfang aufzulösen (§ 4g Abs. 2 S. 2 Nr. 2 EStG). Dies soll ein neuer § 4g Abs. 6 EStG verhindern, der bestimmt, dass allein der Austritt des Vereinigten Königreichs diese Rechtsfolge nicht auslöst.
Kein Änderungsbedarf besteht nach Ansicht des BMF hingegen bei den Stundungsregelungen in § 6 Außensteuergesetz (AStG): So hat nach § 6 Abs. 5 AStG ein Widerruf der Stundung nur zu erfolgen, wenn Anteile auf eine in einem Drittstaat ansässige Person übergehen oder wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz in einen Drittstaat verlegt. Der Brexit allein ist somit kein „schädliches Ereignis“, sondern es muss noch eine weitere Handlung des Steuerpflichtigen (beispielsweise die unentgeltliche Übertragung der Anteile auf eine im Vereinigten Königreich ansässige Person oder der Umzug des Steuerpflichtigen aus einem Großbritannien in einen Nicht-EWR-Staat) hinzutreten, um eine Nachversteuerung in Deutschland auszulösen.
Zu den Auswirkungen des Brexit auf die Lohnsummenregelung nach § 13a Abs. 3 Satz 11 ErbStG äußert sich der Gesetzesentwurf nicht. Dies wäre aber wünschenswert gewesen, da aufgrund des Austritts Großbritanniens aus der EU und dem EWR negative Rechtsfolgen für die Ermittlung der für die erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen nachzuhaltenden jährlichen Lohnsummen innerhalb des fünf- bzw. siebenjährigen Betrachtungszeitraums zu befürchten sind.
III. Handlungsoptionen
Vor dem Hintergrund dieser Neuerungen ergeben sich für Gesellschafter einer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland folgende Handlungsoptionen:
1. Grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine GmbH
Die grenzüberschreitende Verschmelzung ist in den §§ 122a ff. UmwG geregelt, die der Umsetzung der Internationalen Verschmelzungsrichtlinie dienen. Bei der Limited handelt es sich bislang um eine verschmelzungsfähige Gesellschaft im Sinne der Richtlinie, als Zielrechtsform kommen alle deutschen Kapitalgesellschaftsformen in Betracht.
Der Verschmelzungsvorgang ist allerdings relativ aufwendig und zeitintensiv: Neben der Erstellung eines Verschmelzungsberichts und der Fassung des Verschmelzungsbeschlusses durch die GmbH ist auch die Beantragung einer Verschmelzungsbescheinigung beim zuständigen High Court of Justice erforderlich (sog. pre-merger certificate). Im Falle eines „harten Brexit“ ist es unwahrscheinlich, dass sich dieses Verfahren noch rechtzeitig abschließen lässt. Dem trägt die geplante Neuerung in § 122m UmwG Rechnung, der, wie oben ausgeführt, die Verschmelzung auch dann noch zulässt, wenn der Verschmelzungsvorgang durch notarielle Beurkundung des Verschmelzungsplans rechtzeitig eingeleitet wurde, die Anmeldung zur Eintragung im Handelsregister aber erst später erfolgt.
Die Verschmelzung bietet den Vorteil, dass sämtliche Aktiva und Passiva im Wege der Gesamtrechtsnachtfolge auf die GmbH übergehen, ohne dass die Vertragspartner und Gläubiger zustimmen müssten. Auch kann die Aufdeckung der stillen Reserven unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 und § 13 Abs. 2 UmwStG vermieden werden.
Größter Nachteil in der Praxis sind aber neben dem komplizierten Verfahren die damit verbundenen hohen Kosten. Zusätzlich zu den entstehenden Kosten beim Notar und beim Registergericht fallen insbesondere für das Hearing vor dem High Court of Justice nicht unerhebliche Anwaltskosten für die notwendige Vertretung durch einen vor dem High Court zugelassenen britischen Anwalt an.
2. Grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine Personenhandelsgesellschaft
Nach der geplanten Änderung der §§ 122a ff. UmwG können künftig auch Personenhandelsgesellschaften als aufnehmende Rechtsträger bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligt sein, wodurch auch eine Verschmelzung auf eine OHG oder eine KG in Betracht käme. Hierdurch entfiele bei einer Verschmelzung einer Limited beispielweise auf eine KG die Hürde der Mindestkapitalausstattung, jedenfalls dann, wenn persönlich haftender Gesellschafter der KG eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) würde. Auch ist bei dem Verschmelzungsvorgang eine steuerneutrale Buchwertfortführung im Inland nach §§ 3 ff. UmwStG grundsätzlich möglich.
Allerdings besteht große Unsicherheit bezüglich des anzuwendenden Verfahrens: Die Hineinverschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personenhandelsgesellschaft ist nicht vom Anwendungsbereich der Verschmelzungsrichtlinie erfasst. Nach der Systematik der §§ 122a ff. UmwG wäre jedoch auch für diesen Vorgang eine Verschmelzungsbescheinigung des englischen Companies House erforderlich. Da es aber auf britischer Seite an entsprechenden Verfahrensregeln fehlt, könnte der Vorgang in der Praxis bereits am Widerstand des Companies House scheitern. Im Übrigen wäre auch dieses Verfahren mit dem gleichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden wie die Verschmelzung auf eine Kapitalgesellschaft.
3. Grenzüberschreitender Formwechsel
In Betracht käme auch ein grenzüberschreitender Formwechsel der Limited in eine GmbH oder UG (haftungsbeschränkt). Der EuGH hat in mehreren Entscheidungen den grenzüberschreitenden Formwechsel innerhalb des europäischen Binnenmarktes für zulässig erklärt. Bislang fehlt es jedoch an einheitlichen europäischen sowie auch nationalen Verfahrensvorschriften.
Aus diesem Grund stößt man in der Praxis derzeit auf Widerstand des britischen Companies House, welches die Anerkennung des grenzüberschreitenden Formwechsels bislang ablehnt. Zwar hat die EU-Kommission am 25.04.2018 den Entwurf des sog. Company Law Package vorgestellt, der unter anderem die Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens für grenzüberschreitende Formwechsel vorsieht. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass diese Neuregelungen noch rechtzeitig vor dem Brexit in Kraft treten.
4. Sacheinlage und Anteilstausch
Schließlich käme auch die Einbringung des Betriebs der Limited (Sacheinlage) oder die Einbringung der Anteile der Limited (Anteilstausch) in eine deutsche Kapitalgesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Gesellschaft in Betracht. Derartige Vorgänge sind aber nach § 22 UmwStG sperrfristbehaftet und infolge des Brexit droht eine rückwirkende Versteuerung des Einbringungsgewinns. Grund hierfür ist, dass bislang ungeklärt ist, wie Ltd.´s mit Verwaltungssitz in Deutschland nach dem Brexit aus steuerrechtlicher Sicht zu behandeln sind.
Nach einer Auffassung gelten die gleichen Grundsätze wie aus zivilrechtlicher Sicht. Mit dem Brexit fiele der Grund für die bisherige rechtliche Anerkennung der Limited in Deutschland weg, mit der Folge, dass ein Wechsel des Besteuerungsregimes eintreten würde und die Gesellschaft künftig wie eine Personengesellschaft oder der Betrieb eines Einzelunternehmens steuerlich zu behandeln wäre. Die rechtliche Existenz der Limited als Kapitalgesellschaft würde somit enden, wodurch nach § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG im Falle der Einbringung des Betriebs bzw. nach § 22 Abs. 2 S. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 3 UmwStG im Falle des Anteiltausches der Einbringungsgewinn rückwirkend zu versteuern wäre. Dies würde auch nicht durch die Einführung des neuen § 22 Abs. 8 UmwStG verhindert, da auslösendes Ereignis für die Nachversteuerung nicht der Brexit selbst, sondern der Wegfall der einbringenden bzw. eingebrachten Gesellschaft wäre.
Nach anderer Auffassung weicht die steuerrechtliche Behandlung der Limited von der zivilrechtlichen ab. Diese Ansicht wendet die Grundsätze des sogenannten Typenvergleichs an, wonach Gesellschaften, die zwar nicht nach europäischen Recht gegründet wurden, die aber nach ihrem Gründungsstatut einer Kapitalgesellschaft entsprechen, auch in Deutschland als Kapitalgesellschaften zu behandeln sind. Demnach wäre die Limited auch weiterhin wie eine Kapitalgesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig und die steuerliche Abschirmwirkung bliebe fortbestehen. Für Einbringungsvorgänge, die bereits vor dem Brexit rechtswirksam vollzogen wurden, würde aufgrund der geplanten Änderung des Umwandlungssteuergesetzes die Sperrfrist des § 22 UmwStG daher mangels Wechsel des Besteuerungssystems nicht unterbrochen und es käme nicht zur rückwirkenden Versteuerung des Einbringungsgewinns. Dies gilt jedoch nur, solange die Gesellschaft auch in Großbritannien weiterhin besteht. Sollte eine Löschung der Gesellschaft aus dem britischen Handelsregister erfolgen, beispielsweise wegen Nichterfüllung der den Gesellschaftern dort obliegenden Pflichten zur Publizität und zur Zahlung von Gebühren, käme es auch in Deutschland zur Auflösung und Abwicklung der Gesellschaft, mit der Folge einer rückwirkenden Versteuerung des Einbringungsgewinns.
IV. Fazit
Die Bemühungen von deutscher Seite, britischen Gesellschaften angesichts des Brexit einen geordneten Übergang auf eine deutsche Rechtsform zu ermöglichen, sind begrüßenswert. Für Ltd.´s mit Verwaltungssitz in Deutschland sind die gesetzlichen Neuregelungen jedoch nur teilweise zielführend. So bleiben insbesondere für die grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine deutsche Personenhandelsgesellschaft und den grenzüberschreitenden Formwechsel verfahrensrechtliche Unsicherheiten bestehen. Auch bleibt abzuwarten, wie das britische Companies House künftig auf diese Vorgänge reagiert. Bei Vermögensübertragungen im Wege der Sacheinlage oder des Anteilstausches ist derzeit aufgrund der Unklarheiten bei der steuerlichen Einordnung von Ltd.´s nach dem Brexit nicht absehbar, ob sich eine rückwirkende Versteuerung des Einbringungsgewinns verhindern lässt. Für die Praxis bietet sich daher allein die grenzüberschreitende Verschmelzung der Limited auf eine GmbH oder eine UG (haftungsbeschränkt) als steuerlich neutrale Lösung an. Diese bringt jedoch einen nicht zu unterschätzenden Zeit- und Kostenaufwand mit sich.
Derzeit bleibt abzuwarten, was die weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene ergeben. So sieht das am 25.11.2018 von den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten gebilligte Austrittsabkommen eine Übergangsphase bis zum Ende des Jahres 2020 vor (einmalig verlängerbar bis Ende 2022), während derer das EU-Recht auf grenzüberschreitende Sachverhalte zwischen Großbritannien und den EU-Staaten weiterhin Anwendung findet. Die oben beschriebenen gesellschaftsrechtlichen Folgen für Ltd.´s würden dann erst nach Ablauf dieses Zeitraums und vorbehaltlich etwaiger zwischenstaatlicher Abkommen eintreten. Aufgrund der nicht unerheblichen politischen Nachteile, die mit diesem Austrittsabkommen für Großbritannien verbunden wären, lässt sich jedoch nicht vorhersehen, ob das Britische Parlament diesem Abkommen zustimmen wird oder ob es im März zu einem „No Deal“-Szenario mit allen damit einhergehenden Konsequenzen kommt.
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