STEUERLICHE BESONDERHEITEN UND FALLSTRICKE BEI DER TANTIEMENBESTEUERUNG VON BEHERRSCHENDEN GESELLSCHAFTER-GESCHÄFTSFÜHRERN EINER GMBH
Maßgeblich für die steuerliche Anerkennung von Rechtsbeziehungen zwischen einem Gesellschafter und „seiner“ GmbH ist neben dem Fremdvergleichsgrundsatz auch die Einflussmöglichkeit des jeweiligen Gesellschafters. In einem Urteil vom 12.07.2021, Az. VI R 3/19 festigt der Bundesfinanzhof (BFH) seine bisherige Rechtsprechung zur Tantiemenbesteuerung eines Alleingesellschafters einer GmbH. Dies soll zum Anlass genommen werden, um die steuerliche Behandlung von Rechtsbeziehungen zwischen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer, mit besonderem Fokus auf die Tantiemenbesteuerung, näher zu beleuchten.
I. Grundlagen
Durch die Doppelfunktion eines Gesellschafter-Geschäftsführers, der einerseits als Geschäftsleiter der GmbH auftritt, andererseits aber auch die Geschäftsführung über die Gesellschafterversammlung selbst kontrolliert, kann es zu Interessenkollisionen kommen. Die in der Praxis häufig in Form von Anstellungs-, Darlehens-, Miet- oder Kaufverträgen getroffenen Vereinbarungen zwischen dem Gesellschafter-Geschäftsführer und „seiner“ GmbH müssen dabei gewisse Anforderung an Form und Inhalt erfüllen, um steuerlich anerkannt zu werden.
Gesetzlich besteht kein Schriftformerfordernis für Verträge zwischen der GmbH und einem Gesellschafter-Geschäftsführer, allerdings sollten in der Praxis Verträge nur schriftlich geschlossen werden, um einerseits dem Finanzamt einen Nachweis über das tatsächlich Gewollte vorlegen zu können und andererseits spätere Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Gesellschafter und der GmbH zu vermeiden. Zudem ist es schon aus zivilrechtlicher Sicht erforderlich, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit wird, wenn er einen wirksamen Verträge, wie beispielsweise seinen Anstellungsvertrag mit der GmbH, selbst schließen zu können. Dies gilt besonders bei Alleingesellschafter-Geschäftsführern, für deren Befreiung ein Gesellschafterbeschluss und eine Satzungsklausel zwingend erforderlich sind.
Inhaltlich müssen die Vereinbarungen wie unter fremden Dritten getroffen werden (sog. Fremdvergleich dem Grunde nach). Andernfalls liegt die widerlegbare Vermutung nahe, dass die vertragliche Gestaltung rein gesellschaftlich veranlasst ist. Daneben muss die vereinbarte Vergütung auch der Höhe nach angemessen sein (sog. Fremdvergleich der Höhe nach). Die Prüfung der Angemessenheit vereinbarter Gehälter, Mieten oder Darlehenszinsen erfolgt mittels eines inner- oder auch außerbetrieblichen Vergleichs.
Handelt es sich bei dem Geschäftsführer um einen sog. beherrschenden Gesellschafter werden die vertraglichen Anforderungen zusätzlich verschärft, um nachträgliche Ergebnismanipulationen bei der GmbH zu vermeiden. Gemäß der Rechtsprechung des BFH ist im Regelfall von einer Beherrschung auszugehen, wenn der Gesellschafter über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt oder zusammen mit anderen Gesellschaftern gleichgerichtete Interessen durchsetzen kann. Rein persönliche Beziehungen zwischen Gesellschaftern begründen für sich allein genommen jedoch noch kein gleichgerichtetes Abstimmungsverhalten. Die zusätzlichen Formvoraussetzungen werden auch als sog. formeller Fremdvergleich bezeichnet, wonach die getroffene Abrede
- klar und eindeutig, beispielsweise hinsichtlich Zahlungszeitpunkt und Höhe bzw. Bemessungsgrundlage der Vergütung, formuliert werden muss (Transparenzgebot);
- nicht rückwirkend, d.h. nur im Voraus abgeschlossen werden darf (Rückwirkungsverbot; z. B. keine rückwirkenden Gehaltserhöhungen) und
- tatsächlich wie vereinbart durchgeführt werden muss (z. B. keine verspätete oder nur sporadische Gehaltszahlung).
Mangelt es an einem der Kriterien des formellen Fremdvergleichs werden die vertraglichen Regelungen steuerlich nicht anerkannt, auch wenn diese insgesamt der Höhe nach angemessen sind. Bei Dauerschuldverhältnissen, wie beispielsweise Anstellungs- oder Mietverträgen, kann die tatsächliche Durchführung einen Formmangel allerdings heilen.
Sind die formellen und inhaltlichen Vorgaben, denen (beherrschende) Gesellschafter-Geschäftsführer und ihnen nahestehende Personen unterworfen sind, nicht erfüllt, liegt eine sog. verdeckte Gewinnausschüttung vor. Eine solche wird dem Gewinn der GmbH außerbilanziell wieder hinzugerechnet und führt zu einer höheren Belastung mit Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer. Auf Ebene des Gesellschafter-Geschäftsführers kommt es zu einer Umqualifikation der bisherigen Einkünfte z. B. aus nichtselbständiger Arbeit oder Vermietung und Verpachtung in Einkünfte aus Kapitalvermögen. Wie offene Gewinnausschüttungen unterliegen auch die verdeckten Gewinnausschüttungen nicht mehr dem individuellen Steuersatz des Gesellschafter-Geschäftsführers, sondern grds. dem Abgeltungssteuersatz in Höhe von 25 % bzw. dem Teileinkünfteverfahren. Damit wirkt sich die verdeckte Gewinnausschüttung in der Regel steuermindernd im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Gesellschafter-Geschäftsführers aus.
Neben der Frage, ob eine klare und fremdübliche Vereinbarung vorliegt, kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Streitigkeiten darüber, wann einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer Vergütungen zufließen und in welchem Veranlagungszeitraum diese der Besteuerung zu unterwerfen sind. Auch der BFH hat sich jüngst wieder zu der Frage des Zufluss- und Besteuerungszeitpunkts in Verbindung mit Tantiemenzahlungen geäußert.
II. Sachverhalt
Eine Alleingesellschafter-Geschäftsführerin hatte mit ihrer GmbH einen Geschäftsführer-Dienstvertrag geschlossen, wonach sie Anspruch auf eine jährliche Tantieme hat. Im Rahmen einer Zusatzvereinbarung wurde festgelegt, dass der Anspruch auf Auszahlung der Tantieme nicht bereits mit der Feststellung des Jahresabschlusses fällig wird, sondern erst nach gesonderter Aufforderung durch die Geschäftsführerin unter Berücksichtigung der Zahlungsmöglichkeiten der GmbH. Korrespondierend zu den Tantiemenansprüchen bildete die GmbH gewinnmindernde Rückstellungen in ihren Jahresabschlüssen. Die Geschäftsführerin ließ sich in den Folgejahren ihre Tantiemen nur anteilig auszahlen und legte demzufolge auch nur die erhaltenen Teilbeträge ihren Einkommensteuererklärungen zu Grunde. Das Finanzamt setzte allerdings neben den ausgezahlten auch die nicht ausgezahlten Teilbeträge als Arbeitslohn an.
III. Höchstrichterliche Grundsätze zur Tantiemenbesteuerung
Tantiemezahlungen stellen grundsätzlich sonstige Bezüge und damit Arbeitslohn dar (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zählen Tantiemen zu den Überschusseinkunftsarten, deren Besteuerung grundsätzlich mit Zufluss erfolgt (§ 11 Abs. 1 Satz 4 EStG). Gemäß der ständigen Rechtsprechung des BFH tritt der Zufluss mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein. Dies ist beispielsweise bei Geldbeträgen immer dann der Fall, wenn diese entweder bar ausbezahlt oder dem Konto des Zahlungsempfängers gutgeschrieben werden. In Bezug auf einen beherrschenden Gesellschafter gilt allerdings eine Sonderregelung, wonach ein Zufluss von Einnahmen bereits vor Zahlung oder Gutschrift vorliegen kann. Nach Auffassung des BFH fließt einem beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegenüber “seiner” GmbH mit deren Fälligkeit zu, da es dieser regelmäßig in der Hand hat, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Tantiemen auch auf die Einkommensermittlung der GmbH ausgewirkt haben, wie vorliegend durch aufwandswirksame Einbuchung einer Rückstellung.
Allgemein wird der Tantiemenanspruch mit der Feststellung des Jahresabschlusses fällig. Dies gilt immer dann, wenn im Anstellungsvertrag keine andere, zivilrechtlich wirksame und fremdübliche Fälligkeit vereinbart wurde. Ist der Geschäftsführer zur freien Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts ermächtigt, kann er ab der Feststellung des Jahresabschlusses wirtschaftlich über die Tantieme und deren Auszahlung verfügen, solange die GmbH zahlungsfähig ist. Demzufolge sieht der BFH ab diesem Zeitpunkt die Tantieme – unabhängig von einer tatsächlichen Auszahlung – als steuerlich zugeflossen an.
Basierend auf den vorgenannten Grundsätzen kommt der BFH im oben beschriebenen Sachverhalt zu dem Ergebnis, dass kein abweichender Fälligkeitszeitpunkt hinreichend konkret bestimmt wurde und die Geschäftsführerin mittels bloßer Aufforderung die Auszahlung der Tantieme hätte verlangen können. Daran ändert auch die Vereinbarung, dass eine Auszahlung nur bei Zahlungsmöglichkeit durch die GmbH verlangt werden kann nichts, da auch hierzu keine konkreten Vereinbarungen getroffen wurden. Wäre die GmbH hingegen zahlungsunfähig gewesen, wäre ein steuerlicher Zufluss bereits aus diesem Grund und ohne gesonderte Vereinbarung zu verneinen. Aufgrund der fehlenden Bestimmung eines konkreten Fälligkeitszeitpunkts und der fehlenden Zahlungsunfähigkeit der GmbH, erfolgte der steuerliche Zufluss der Tantiemenzahlungen nach Auffassung des BFH im vorliegenden Fall in voller Höhe mit der Feststellung des jeweiligen Jahresabschlusses.
IV. Besonderheiten und Fallstricke bei Gewinn-Tantiemen
Neben der Frage, wann Tantiemen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer zufließen, muss steuerlich zudem die Gesamtausstattung der Vergütung des Gesellschafter-Geschäftsführers angemessen sein. Die Angemessenheitsprüfung erfolgt bei einer Gewinn-Tantieme in drei Schritten:
75/25-Verhältnis
In einem ersten Schritt ist die Gesamtausstattung der Vergütung des Gesellschafter-Geschäftsführers zu ermitteln, die sich aus Festgehalt und variabler Tantieme zusammensetzt. Liegt die Tantieme dabei über 25 % der Gesamtausstattung indiziert dies eine unangemessen hohe Tantieme und damit eine verdeckte Gewinnausschüttung. Diese Vermutung kann allerdings bei Vorliegen von betrieblichen Gründen, wie beispielsweise in der Gründungsphase, in wirtschaftlichen Schieflagen oder in risikobehafteten Geschäftszweigen widerlegt werden.
50 %-Grenze
In einem zweiten Schritt ist die Tantieme mit dem Gewinn laut Handelsbilanz ins Verhältnis zu setzen. Übersteigt die Tantieme 50 % des handelsrechtlichen Jahresüberschusses nimmt das Finanzamt grundsätzlich eine verdeckte Gewinnausschüttung an. An dieser Stelle ist zu beachten, dass die Tantieme zum Handelsbilanzgewinn vor Ertragsteuer- und Tantiemenabzug ins Verhältnis zu setzen ist. Zudem ist darauf zu achten, dass Tantiemeansprüche mehrerer Gesellschafter-Geschäftsführer die 50 %-Grenze in Summe nicht übersteigen dürfen.
Vorabvereinbarung beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer
In einem dritten Schritt ist bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer wiederum der formelle Fremdvergleich zu prüfen. Hierfür muss die Tantiemevereinbarung bereits vor Beginn des Geschäftsjahres schriftlich abgeschlossen worden sein. Andernfalls droht eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der Tantiemenansprüche, die vor der Vereinbarung erdient wurden.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass ein Verzicht des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers auf eine bereits fällige Tantieme nichts an der lohnsteuerpflichtigen Versteuerung auf Ebene des Gesellschafters ändert. Der Verzicht führt zusätzlich zu einer verdeckten Einlage bei der GmbH.
V. Fazit für die Praxis
Die Rechtsprechung und Verwaltungspraxis sehen für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern und „seiner“ GmbH bestimmte Sonderanforderungen vor. Demnach ist eine betriebliche Veranlassung nur dann gegeben, wenn die Abreden auf klaren, eindeutigen und im Vorhinein abgeschlossenen Vereinbarungen beruhen, welche überdies zivilrechtlich wirksam sind und tatsächlich durchgeführt werden. In der Praxis ist daher eine schriftliche Fixierung dringend angeraten, um eine Nachweisbarkeit des tatsächlich Gewollten sicherzustellen.
Nachdem der BFH seine bisherige Rechtsprechung in Bezug auf den lohnsteuerlichen Zufluss von Tantiemenansprüchen im Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses bekräftigt hat, empfiehlt es sich in der Praxis eine konkrete und fremdübliche Vereinbarung zur Fälligkeit zu schließen, wenn eine Tantieme nicht (vollständig) ausgezahlt und erst in zukünftigen Veranlagungszeiträumen der Lohnsteuer unterworfen werden soll. Entscheidend ist dabei, dass der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer die Fälligkeit nicht nach seinem freien Ermessen bestimmen kann, sondern objektive Bedingungen den Eintritt der Fälligkeit auslösen.
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