VOM MAURACHER ENTWURF ZUM REGIERUNGSENTWURF – NÄCHSTER SCHRITT ZUR MODERNISIERUNG DES PERSONENGESELLSCHAFTSRECHTSv
In unserem Newsletter-Beitrag vom 30. Juni 2020 haben wir die wesentlichen Eckpunkte des sog. Mauracher Entwurfs zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vorgestellt. Auf dieser Grundlage ist am 20. Januar 2021 der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) veröffentlicht und damit ein weiterer wichtiger Schritt hin zur sicherlich bedeutendsten Reform des Personengesellschaftsrechts seit Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches begangen worden. Dieser Beitrag stellt den Regierungsentwurf in seinen Grundzügen dar und zeigt den Handlungsbedarf auf, der sich in der Praxis bei erfolgreichem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ergeben wird.
I. Grundzüge des Regierungsentwurfs
1. Rechtsfähigkeit der GbR wird Gesetz
Mit seiner Grundsatzentscheidung „ARGE Weißes Ross“ vom 29. Januar 2001 hat der BGH die Rechtsfähigkeit der BGB-Außengesellschaft unter richterlicher Rechtsfortbildung ausdrücklich anerkannt. Mehr als 20 Jahre nach dieser Entscheidung soll die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nunmehr gesetzlich normiert werden. Dies ist allerdings nur der Ausgangspunkt einer grundlegenden Reform des GbR-Rechts. Der Regierungsentwurf enthält in Anknüpfung an den Mauracher Entwurf umfassende Neuregelungen des Rechtsverhältnisses der GbR-Gesellschafter untereinander und zur Gesellschaft (Stimmrecht, Gewinn- und Verlustbeteiligung, Übertragung von Gesellschaftsanteilen) sowie des Außenverhältnisses (Vertretungsbefugnis, Außenhaftung der Gesellschafter). Auf die Darstellung von Einzelheiten muss an dieser Stelle verzichtet werden.
2. Die neue (eingeschränkte) Registerpublizität
Ein weiteres maßgebliches Ziel des Reformvorhabens ist die Schaffung von Transparenz hinsichtlich der Existenz, der Identität und der Vertretung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts. Der Regierungsentwurf sieht deshalb – wiederum an den Mauracher Entwurf anknüpfend – die Einführung eines eigenen Gesellschaftsregisters für Gesellschaften bürgerlichen Rechts vor, welches sich technisch-organisatorisch eng an das elektronische Handelsregister anlehnt. Der mit der Schaffung eines solchen neuen Registers verbundene Aufwand dürfte nicht unerheblich sein. Auch deswegen soll das MoPeG erst am 1. Januar 2023 in Kraft treten.
Die Eintragung in das Gesellschaftsregister ist allerdings freiwillig (§ 707 Abs. 1 BGB-E) und damit insbesondere nicht Voraussetzung für die Erlangung der Rechtsfähigkeit einer GbR. Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs soll stattdessen im Interesse einer möglichst niederschwelligen Regulierung auf ein „System der positiven Anreizwirkung mit teils faktischem Zwang zur Registrierung“ gesetzt werden. Dieser faktische Zwang soll vor allem durch sog. Voreintragungserfordernisse erzeugt werden: So kann eine GbR nur dann als Eigentümerin von Grundstücken im Grundbuch eingetragen werden, wenn sie im Gesellschaftsregister eingetragen worden ist. Gleiches gilt für die Aufnahme einer GbR in die Gesellschafterliste einer GmbH, für die Eintragung einer GbR in das Aktienregister einer AG und für die Eintragung einer GbR als Gesellschafterin einer anderen GbR bzw. einer OHG oder KG. Mit Eintragung der GbR im Gesellschaftsregister ist der Zusatz „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ verpflichtend zu führen; der Mauracher Entwurf sah hier nur ein entsprechendes Recht, aber keine Pflicht vor.
Anders als der Mauracher Entwurf verzichtet der Regierungsentwurf für die Eintragung einer GbR als Inhaberin von gewerblichen Schutzrechten – namentlich Patenten, Gebrauchsmustern, Designs, Marken und Topografien – auf das Voreintragungserfordernis. Hieran wird zu Recht kritisiert, dass im Bereich der bedeutsamen Immaterialgüterrechte ebenfalls ein öffentliches Interesse an der Publizität der Identität sowie der Haftungs- und Vertretungsverhältnisse einer GbR als Inhaberin solcher Rechte besteht. Es bleibt abzuwarten, ob im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens an dieser Stelle noch Änderungen vorgenommen werden.
3. Neues Beschlussmängelrecht
Nach derzeitiger Rechtslage führen Mängel von Gesellschafterbeschlüssen bei Personengesellschaften zu deren Nichtigkeit. Wer sich auf die Nichtigkeit des Beschlusses oder die Unrichtigkeit des festgestellten Beschlussergebnisses beruft, kann dies durch Erhebung einer allgemeinen Feststellungsklage (§ 256 ZPO) gegen die übrigen Gesellschafter geltend machen. Dieses Feststellungsmodell wird schon seit geraumer Zeit als wenig praxistauglich kritisiert, weil die Klagemöglichkeit – der Rechtssicherheit zuwiderlaufend – grundsätzlich unbefristet ist und keine Unterscheidung nach der Schwere des Beschlussmangels erfolgt.
Es war daher ein grundlegendes Anliegen des Mauracher Entwurfs, das Beschlussmängelrecht der Personengesellschaften in Anlehnung an das aktienrechtliche Anfechtungsmodell umfassend zu reformieren. Anders als der Mauracher Entwurf begnügt sich der Regierungsentwurf aber mit der Reform des Beschlussmängelrechts der Personenhandelsgesellschaften und blendet die Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die Partnerschaftsgesellschaft bewusst aus. Den Gesellschaftern von Gesellschaften bürgerlichen Rechts und Partnerschaftsgesellschaften steht es jedoch frei, durch eine entsprechende Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages das Anfechtungsmodell zu übernehmen. Umgekehrt können die Gesellschafter einer OHG bzw. KG durch eine entsprechende Vertragsgestaltung vom Anfechtungsmodell abweichen.
In Anlehnung an die Regelungen des Aktienrechts unterscheidet § 110 HGB-E hinsichtlich der Fehlerfolgen bei Beschlussmängeln ausdrücklich zwischen der Anfechtbarkeit und der Nichtigkeit. Anfechtbar ist danach jeder Beschluss, der Rechtsvorschriften verletzt. Nichtig ist ein Beschluss hingegen, wenn sein Inhalt Rechtsvorschriften verletzt, auf die die Gesellschafter nicht verzichten können. Welche das sind, wird jedoch, anders als im Aktienrecht, wo sich in § 241 AktG eine Auflistung der Nichtigkeitsgründe findet, nicht geregelt. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sind dies insbesondere diejenigen Rechte, die zum unverzichtbaren Kernbereich der Mitgliedschaft gehören; die weitere Konkretisierung wird Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen.
Auch im Hinblick auf das Klageverfahren folgt der Regierungsentwurf konsequent dem aktienrechtlichen Anfechtungsmodell: Anfechtungsgründe sind von dem anfechtungsberechtigten Gesellschafter durch Erhebung einer befristeten Anfechtungsklage geltend zu machen. Die Frist beträgt drei Monate ab Bekanntgabe des Beschlusses gegenüber dem anfechtungsberechtigten Gesellschafter. Im Gesellschaftsvertrag kann die Frist bis auf einen Monat abgekürzt werden.
4. Neue Rechtsformfreiheit für Freie Berufe
Während Wirtschaftsprüfer und Steuerberater aufgrund entsprechender Spezialvorschriften im jeweiligen Berufsrecht schon seit längerer Zeit etwa in der Rechtsform der KG oder der GmbH & Co. KG praktizieren können, steht Rechtsanwälten, Ärzten, Architekten und anderen Freien Berufen eine solche Möglichkeit bislang nicht offen. Auch dies soll nun geändert werden. Die im Regierungsentwurf enthaltenen Neuregelungen sehen vor, dass künftig Freie Berufe in der Rechtsform einer OHG oder KG (bzw. GmbH & Co. KG) ausgeübt werden können, „soweit das anwendbare Berufsrecht dies zulässt“.
Hinsichtlich Rechtsanwälten obliegt diese Entscheidung dem hierfür zuständigen Bundesgesetzgeber, der mit der Veröffentlichung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe – gleichzeitig mit der Veröffentlichung des Regierungsentwurfs des MoPeG – die Tür zur Formfreiheit bereits aufgestoßen hat.
Bei anderen Freien Berufen, etwa Ärzten, Architekten und Bauingenieuren, liegt die Entscheidung bei den jeweiligen Landesgesetzgebern. Wie diese sich im Einzelnen positionieren werden, ist noch nicht ersichtlich. Es bleibt zu hoffen, dass hier durch entsprechende Abstimmung harmonische Regelungen gefunden werden, um einen „Flickenteppich“ zu vermeiden.
II. Fazit und Ausblick
Gesellschafter von Gesellschaften bürgerlichen Rechts sind gut beraten, die weitere Entwicklung des Gesetzgebungsverfahrens im Augen zu behalten und sich rechtzeitig auf die zahlreichen Änderungen, so sie denn Gesetz werden, einzustellen. Dies betrifft zum einen die Überprüfung von bestehenden Gesellschaftsverträgen im Hinblick auf erforderliche Anpassungen an die durch das MoPeG bewirkten grundlegenden Änderungen im GbR-Recht.
Zuvörderst wird die Frage, ob für Beschlussmängelstreitigkeiten das Anfechtungsmodell gesellschaftsvertraglich adaptiert werden soll, zu beleuchten sein. Sodann wird zu klären sein, ob eine freiwillige Eintragung der Gesellschaft im Gesellschaftsregister – etwa zur Steigerung der Transparenz und damit der Kreditwürdigkeit – angestrebt werden soll. Für Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die Eigentum an Grundstücken oder Anteile an anderen Gesellschaften halten oder erwerben wollen, wird dies aufgrund des oben dargestellten Voreintragungsgrundsatzes unabdingbar sein. Hier gilt es, rechtzeitig die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um nicht bei anstehenden Transaktionen wertvolle Zeit durch eine noch ausstehende Eintragung im Gesellschaftsregister zu verlieren.
Für die Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften wird sich im Wesentlichen die Frage stellen, ob die Regelungen im Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der Fassung von Gesellschafterbeschlüssen mit dem Anfechtungsmodell kompatibel sind. Dies betrifft insbesondere die Formalisierung des Beschlussverfahrens durch die Regelung von Formen und Fristen für die Einberufung, Ankündigung und Durchführung von Gesellschafterversammlungen. Der Regierungsentwurf des MoPeG sieht hierfür zwar einige wenige Regelungen vor, etwa zur Einberufung und Beschlussfähigkeit. Diese dürften aber aus Sicht der Gesellschafter in vielen Fällen anpassungs- bzw. jedenfalls ergänzungsbedürftig sein.
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