€ 600 MRD. GEGEN DIE CORONA-KRISE (AUCH FÜR SYSTEMKRITISCHE START-UPS) – DER WIRTSCHAFTSSTABILISIERUNGSFONDS („WSF“)
Zu den verschiedenen Maßnahmen zur Eindämmung der Folgen der Coronavirus-Pandemie gehört nun auch die Einrichtung des WSF, um Unternehmen zeitlich begrenzt vor allem durch Garantien aber auch Hybrid- oder Eigenkapitalfinanzierung zu unterstützen – ein Mittel, das schon in der Finanzkrise zur Stützung der Banken erprobt wurde.
Mit der Einrichtung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds („WSF“ – einem Sondervermögen des Bundes) wird ein weiteres Instrument geschaffen, um Unternehmen der Realwirtschaft in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen. Dazu werden das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz und das Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz ergänzt. Der Bundestag hat am 25. März 2020 das entsprechende Änderungsgesetz beschlossen und am 27. März 2020 hat der Bundesrat ohne Ergänzungen zugestimmt. Das Gesetz wurde noch am selben Tag verkündet und trat am 28. März 2020 in Kraft. Nachfolgend geben wir einen Überblick in Form von Q&As zum WSF.
Was ist der Zweck des WSF?
Die Stabilisierung von Unternehmen der Realwirtschaft durch Überwindung von Liquiditätsengpässen und Schaffung der Rahmenbedingungen zur Stärkung der Kapitalbasis.
Welche Unternehmen sollen „stabilisiert werden“?
Unternehmen, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft, technologische Souveränität, Versorgungssicherheit, kritische Infrastrukturen oder den Arbeitsmarkt hätte. Dabei geht es auch insbesondere um die Stabilisierung von Produktionsketten und die Sicherung von Arbeitsplätzen.
Die Förderung soll grundsätzlich solchen Wirtschaftsunternehmen (nicht gemeint sind Unternehmen des Finanzsektors, Kreditinstitute etc.) zugutekommen können, die in den Geschäftsjahren 2018 und 2019 jeweils zwei der drei folgenden Merkmale erfüllt haben:
- Bilanzsumme > € 43 Mio.,
- Umsatzerlöse > € 50 Mio.,
- Anzahl Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt > 249.
Der WSF kann nach eigenem Ermessen aber auch Anträge von Unternehmen berücksichtigen, die nicht die vorgenannten Größenmerkmale erfüllen, wenn sie in einer der in § 55 AWV genannten Branchen tätig sind (wie u.a. Betreiber von kritischer Infrastruktur, Entwickler / Programmierer von Software für den Betrieb kritischer Infrastruktur, Anbieter von Cloud-Computing-Diensten, Inhaber von Zulassungen für Komponenten oder Dienste der Telematikinfrastruktur oder ein Unternehmen der Medienwirtschaft, das mittels Rundfunk, Telemedien oder Druckerzeugnissen zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt und sich durch besondere Aktualität und Breitenwirkung auszeichnet) oder von vergleichbarer Bedeutung für die Sicherheit oder Wirtschaft sind.
Zudem wurde für Rekapitalisierungsmaßnahmen (siehe dazu im Detail unten) klargestellt, dass auch Start-Ups in Betracht kommen, die seit dem 1. Januar 2017 in mindestens einer abgeschlossenen Finanzierungsrunde von privaten Kapitalgebern mit einem Unternehmenswert von mindesten € 50 Mio. einschließlich des durch diese Runde eingeworbenen Kapitals bewertet wurden. Nach unserem Verständnis kommen diese Start-ups nur für Rekapitalisierungsmaßnahmen in Betracht, nicht jedoch für Garantien (auch hierzu sogleich), aber eine ausdrückliche Erklärung dafür findet sich in den Begründungen nicht wieder.
Weitere Voraussetzungen sind, dass die Unternehmen zum 31. Dezember 2019 nicht ein „Unternehmen in Schwierigkeiten“ nach der EU-Definition waren (s. zur Definition z.B. https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Steuern/Verbrauchsteuern/Energie/Beihilferechtliche-Vorgaben/Unternehmen-Schwierigkeiten/Definition/definition.html), d.h. weder insolvenzreif noch sonst in einem wirtschaftlich kritischen Zustand gemäß der Definition oder gar noch in einem Umstrukturierungsplan waren/sind. Die „förderungswürdigen“ Unternehmen müssen vielmehr eine klare eigenständige Fortführungsperspektive nach Überwindung der Coronavirus-Pandemie haben und Gewähr für eine „solide und umsichtige Geschäftspolitik“ bieten.
Welche Stabilisierungsmaßnahmen stehen zur Verfügung?
Garantien
Der WSF kann Garantien in einem Umfang von insgesamt bis zu € 400 Mrd. für Schuldtitel oder Verbindlichkeiten von „förderungswürdigen“ Unternehmen übernehmen, die im Zeitraum vom Inkrafttreten des Änderungsgesetzes (am 28. März 2020) bis zum 31. Dezember 2021 begeben oder begründet wurden und eine Laufzeit von höchstens 5 Jahren haben. Die Übernahme der Garantie erfolgt gegen eine angemessene Gegenleistung. Weitere Details zu den Garantien (wie u.a. Art und abgedeckte Risiken, Höhe der Gegenleistung und Bedingungen sowie Obergrenzen) wird das Bundesministerium der Finanzen im Verordnungswege festlegen. Zum Inhalt der Verordnung ist noch nichts bekannt.
Rekapitalisierungsmaßnahmen
Der WSF kann nachrangige Schuldtitel, Hybridanleihen, Genussrechte, stille Beteiligungen, Wandelanleihen, den Erwerb von Anteilen an Unternehmen und sonstige Bestandteile des Eigenkapitals dieser Unternehmen im Umfang von insgesamt bis zu € 100 Mrd. erwerben bzw. übernehmen.
Allerdings kommt eine Beteiligung des WSF erst dann in Betracht, wenn (i) die Stabilisierung nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreicht werden kann (also eine Garantie und/oder andere Maßnahmen z.B. der KfW allein nicht ausreichen oder in Betracht kommen) und (ii) ein wichtiges Interesse des Bundes an der Stabilisierung vorliegt. Inwieweit ein „wichtiges Interesse des Bundes“ über die Kriterien hinausgeht, nach denen bereits die zu fördernden Unternehmen ausgewählt werden, ergibt sich aus dem Gesetz nicht.
U.E. wird auch abzuwarten sein, wie das Zusammenspiel mit den Regelungen der Investitionskontrolle nach dem AWG und der AWV erfolgen wird, insbesondere wenn zum Fortbestand eines „förderungswürdigen“ Unternehmens erforderliche Finanzierungs- oder Beteiligungsangebote aus „kritischen“ Drittländern vorliegen und diese nach dem AWG und der AWV untersagt werden sollen: muss sich dann der WSF beteiligen?
Refinanzierung der Sonderprogramme der KfW
Der WSF kann der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Darlehen im Umfang von insgesamt bis zu € 100 Mrd. zur Refinanzierung der von ihr zu tragenden Sonderprogramme gewähren.
Mit welchen Auflagen müssen Unternehmen im Zusammenhang mit der Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen rechnen?
Allgemein
Mit der Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen können Auflagen (ob durch Vertrag, Selbstverpflichtung oder Verwaltungsakt) einhergehen, die unter anderem folgende Punkte betreffen: Anforderungen bezüglich der Verwendung der Mittel, Aufnahme weiterer Kredite, Vergütung der Organe, Ausschüttung von Dividenden, Zeitraum zur Erfüllung der Vorgaben, Maßnahmen zur Vermeidung der Wettbewerbsverzerrung, Rechenschaftslegung und Erhebungsrechte für den Bundesrechnungshof sowie Entsendung von Vertretern der KfW als Sachverständige in oder Mitglieder als Vertreter des WSF in Aufsichtsorgane der betreffenden Unternehmen. Besonders hervorzuheben ist dabei eine vom vertretungsberechtigten Organ mit Zustimmung des Aufsichtsorgans abzugebende und zu veröffentlichende Verpflichtungserklärung zur Einhaltung von Anforderungen. Anhaltspunkte dazu, was der Bund unter „Grundsätze guter Unternehmens- und Beteiligungsführung im Bereich des Bundes“ versteht, gibt der Public Corporate Governance Kodex des Bundes, der unter folgendem Link abrufbar ist: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Bundesvermoegen/Privatisierungs_und_Beteiligungspolitik/Beteiligungspolitik/grundsaetze-guter-unternehmensfuehrung.html. Die Auflagen sollen durch eine Rechtsverordnung näher konkretisiert und geregelt werden. Zum Inhalt der Rechtsverordnung ist derzeit noch nichts bekannt.
Befristung
Während die Laufzeit der Garantien auf maximal 60 Monate befristet ist, sind die Beteiligungen zeitlich grundsätzlich nicht befristet, da die Bestimmung eines optimalen Ausstiegszeitpunkts schon beim Einstieg des WSF nicht möglich sein wird.
Wer ist mein Ansprechpartner und entscheidet über die Stabilisierungsmaßnahmen?
Erster Ansprechpartner für die Unternehmen ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie („BMWi“), das mit den Unternehmen die Bedingungen der Stabilisierungsmaßnahmen verhandelt und die Anträge vorbereitet. Verwaltet wird der WSF durch die Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH, die auf ihren Erfahrungen mit der Verwaltung des Finanzmarktstabilisierungsfonds (insbesondere bezüglich Risikocontrolling, Berichts- und Meldewesen) aufbauen kann.
Entscheidungen über die Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen erfolgen grundsätzlich durch das Bundesministerium der Finanzen („BMF“) im Einvernehmen mit dem BMWi. Entscheidungen können aber auch, sofern und soweit das BMF und das BMWi dies per Rechtsverordnung vorsehen, der KfW in bestimmten Fällen übertragen werden, ebenso wie die Wahrnehmung von weiteren Aufgaben. Die Entscheidungen erfolgen nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Bedeutung des Unternehmens für die Wirtschaft Deutschlands, der Dringlichkeit, den Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und den Wettbewerb und dem Prinzip des möglichst sparsamen und wirtschaftlichen Einsatzes der Mittel des WSF. Einen Anspruch auf Unterstützung durch den WSF gibt es nicht.
In Grundsatzfragen, Angelegenheiten von besonderer Bedeutung sowie bei Entscheidungen über wesentliche Maßnahmen und Auflagen soll einvernehmlich ein interministerieller Ausschuss (der sogenannte „WSF-Ausschuss“) entscheiden, der sich aus je einem Vertreter des Bundeskanzleramts, des BMF, des BMWi, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz und des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zusammensetzt.
Was passiert nach dem 31. Dezember 2021?
Auch wenn die Gewährung von Stabilisierungsmaßnahmen grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2021 befristet ist, sollen Rekapitalisierungsmaßnahmen bei Unternehmen, an denen der WSF zu dem Zeitpunkt bereits beteiligt ist, zum Zwecke des Verwässerungsschutzes oder der Absicherung von bereits gewährten Stabilisierungsmaßnahmen auch nach dem 31. Dezember 2021 möglich sein.
Welche steuerlichen Sonderregelungen finden auf Beteiligungen des WSF Anwendung (Stichwort Wegfall Verlustvorträge etc.)?
Der Wegfall von Verlustvorträgen nach § 8c KStG und § 10a GewStG soll für den Erwerb von Beteiligungen durch den WSF oder die spätere Rückveräußerung nicht gelten. Außerdem ist der WSF von Gewerbesteuer und Körperschaftssteuer befreit und unterliegt nicht der Umsatzsteuer.
Werden die in den verschiedenen Rechtsformen bestehenden gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen zur Vorbereitung oder Umsetzung von Stabilisierungsmaßnahmen vereinfacht?
Ja und der Minderheitenschutz wird erheblich eingeschränkt bzw. räuberische Aktionäre oder Gesellschafter müssen mit empfindlichen Sanktionen rechnen. Im sogenannten „Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz“ werden die Prozesse und Mehrheitserfordernisse stark vereinfacht. Dies gilt vor allem für Aktiengesellschaften, bei denen signifikante Vereinfachungen für Kapitalerhöhungen, -herabsetzungen oder Umsetzung von Kapitalmaßnahmen beschlossen wurden. Bestandteil ist unter anderem die Herabsetzung der erforderlichen Mehrheiten für Kapitalmaßnahmen auf die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen sowie das Wirksamwerden von entsprechenden Beschlüssen der Hauptversammlung sowie der Durchführung von Kapitalmaßnahmen bereits mit deren Veröffentlichung im Bundesanzeiger und nicht erst mit deren Eintragung im Handelsregister. Zudem wird eine Schadensersatzpflicht für Aktionäre eingeführt, die eine für den Fortbestand der Gesellschaft erforderliche Rekapitalisierungsmaßnahme insbesondere durch ihre Stimmrechtsausübung oder die Einlegung unbegründeter Rechtsmittel verzögern, um dadurch ungerechtfertigte Vorteile für sich zu erlangen. Auch Anforderungen des Wertpapierrechts, namentlich des WpHG und WpÜG, werden reduziert oder zeitweise außer Kraft gesetzt.
Für Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Personengesellschaften wird die Umsetzung entsprechender Maßnahmen ebenfalls vereinfacht, indem auch hier (ungeachtet entgegenstehender Regelungen in den Gesellschaftsverträgen) die Beschlüsse mit der einfachen Mehrheit der anwesenden Stimmen (GmbH) bzw. der einfachen Mehrheit der am Beschluss teilnehmenden Gesellschafter (GmbH & Co. KG, KG) gefasst werden können; die Formulierung bezüglich der GmbH & Co. KG bzw. KG meint nach unserem Verständnis auch die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Bei einer GmbH werden zudem die Ausschluss- bzw. Einziehungsgründe gesetzlich erweitert, da ermöglicht wird, einen Gesellschafter aus der Gesellschaft mit einer Mehrheit von 75% der anwesenden Stimmen gegen Abfindung auszuschließen bzw. seinen Geschäftsanteile einzuziehen, wenn dies für den Erfolg der Stabilisierungsmaßnahme notwendig ist.
Welche gesetzlichen Privilegien werden für den WSF noch eingeführt?
Neben den vorgenannten gesellschafts- und wertpapierrechtlichen Vereinfachungen wird die Anwendbarkeit weiterer Regelungen zu Lasten des WSF ausgeschlossen, z.B. Ausschluss der Anwendbarkeit von Anfechtungsrechten nach der InsO oder dem Anfechtungsgesetz sowie der Vorschriften zu Gesellschafterdarlehen in der InsO auf Stabilisierungsmaßnahmen oder der Regelungen zur verdeckten Sacheinlage. Zudem sollen bei Beteiligungen des WSF Change-of-Control Regelungen in Verträgen (einschließlich Dienst- bzw. Anstellungsverträgen von Organmitgliedern oder leitenden Angestellten des „geförderten“ Unternehmens) in bestimmtem Umfang nicht zur Anwendung kommen. Allerdings ist unklar, ob dies nur bei Beteiligungen des WSF an Unternehmen aus dem Finanzsektor gilt (so der Wortlaut, obwohl der Gesetzgeber die bereits bestehende Vorschrift auf Unternehmen aus der Realwirtschaft ausdehnen wollte) oder auch bei Beteiligungen an Unternehmen der Realwirtschaft.
Gelten Privilegierungen des WSF auch für mögliche Rechtsnachfolger des WSF und Sondervermögen der Bundesländer?
Privilegierungen unter der InsO und dem Anfechtungsrechts sollen in bestimmten Fällen auch auf Rechtsnachfolger des WSF übergehen können. Auch zahlreiche Vorschriften des Wirtschaftsstabilisierungsfondsgesetzes sowie des Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetzes werden für Wirtschaftsfonds der Bundesländer entsprechend anwendbar erklärt. Dies gilt insbesondere für die Privilegierung des Fonds bzw. der Stabilisierungsmaßnahme unter dem Gesellschaftsrecht, der Insolvenzordnung und dem Anfechtungsrecht.
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