NEUE GRUNDERWERBSTEUERLICHE FALLSTRICKE BEI SHARE-DEAL TRANSAKTIONEN
Fallen bei einem Anteilskauf, sog. Share-Deal, Vertragsabschluss („Signing“) und Anteilsübergang („Closing“) zeitlich auseinander, liegen nach Ansicht der Finanzverwaltung zwei grunderwerbsteuerbare Vorgänge vor. Daher kann es bei ein und derselben Transaktion zu einer mehrfachen Festsetzung von Grunderwerbsteuer kommen. Mithilfe einer neu eingeführten Korrekturvorschrift lässt sich die drohende Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer vermeiden, aber nur dann, wenn sämtliche Erwerbsvorgänge dem Finanzamt angezeigt werden. Bei jedem Share-Deal ist daher sowohl bei Signing als auch bei Closing auf eine vollständige und fristgerechte Anzeigeerstattung zu achten.
I. Grunderwerbsteuer bei Share-Deal Transaktionen
Bei geplanten Anteilsübertragungen („Share-Deals“) an Gesellschaften mit Grundbesitz sind im Vorfeld die Auswirkungen auf die Grunderwerbsteuer zu prüfen. Von zentraler Bedeutung sind die sog. Ergänzungstatbestände des § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 2b GrEStG, die bei Überschreiten bestimmter Schwellenwerte die Änderung des Gesellschafterbestands einer Gesellschaft besteuern. Als grunderwerbsteuerauslösender Tatbestand gilt dabei die Übertragung von mindestens 90% der Anteile an der grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft auf Neugesellschafter (s. Newsletterbeitrag aus Juli 2021). Darüber hinaus kann die (wirtschaftliche) Anteilsvereinigung an Grundstücksgesellschaften Grunderwerbsteuer auslösen (§ 1 Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG). Seit der Einführung des § 1 Abs. 2b GrEStG im Jahr 2021 wird diskutiert, ob bei einem Anteilserwerb sogar beide Normen einschlägig sind und in der Folge doppelt Grunderwerbsteuer anfallen kann.
II. „Signing-Closing-Theorie“ der Finanzverwaltung
Ausgangspunkt der schon länger existierenden Diskussionen um eine potenzielle Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer ist die umstrittene „Signing-Closing-Theorie“ der Finanzverwaltung. Nach dieser liegen bei ein und derselben Share-Deal Transaktion im Zeitverlauf zwei Anknüpfungspunkte für die Entstehung von Grunderwerbsteuer vor, wenn Abschluss des Anteilskaufvertrags („Signing“) und Übergang der Anteile („Closing“) zeitlich auseinanderfallen. Während zum Zeitpunkt des Signing aufgrund des entstehenden Anteilsübertragungsanspruchs die Tatbestandsvoraussetzungen der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 bzw. Abs. 3a GrEStG erfüllt sind, wird durch den Anteilsübergang im Closing-Zeitpunkt ein zweites Mal Grunderwerbsteuer ausgelöst. Letzteres auf der Grundlage des § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG, der die tatsächliche Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Gesellschaft besteuert. Demzufolge kann es allein durch das zeitliche Auseinanderfallen von Signing und Closing zu einer doppelten Festsetzung von Grunderwerbsteuer kommen.
Rein nach dem Gesetzeswortlaut ist zwar die (wirtschaftliche) Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 4 bzw. Abs. 3a GrEStG ausdrücklich subsidiär anwendbar, sodass die Besteuerung im Ergebnis allein auf der Grundlage des § 1 Abs. 2b GrEStG zu erfolgen hat. Dennoch geht die Finanzverwaltung – anders als die wohl herrschende Literatur – von zwei steuerbaren Vorgängen aus. Entsprechend aufwendig ist der verfahrensrechtliche Ablauf. So ist nach Meinung der Finanzverwaltung bereits bei Signing ein Steuerbescheid zu erlassen und Grunderwerbsteuer festzusetzen, sofern nicht binnen eines Jahres nach Signing mit dem Closing zu rechnen ist. Bei langwierigen Share-Deal Transaktionen werden folglich mehrere Grunderwerbsteuerbescheide ergehen.
Allerdings ist auch der Finanzverwaltung klar, dass im Ergebnis eine Doppelbesteuerung innerhalb desselben Sachverhalts nicht sachgerecht wäre. Die Verwaltungsanweisungen sahen daher vor, dass bei Closing der zum Zeitpunkt des Signing ergangene Grunderwerbsteuerbescheid wieder aufzuheben bzw. zu ändern ist. Auf welcher gesetzlichen Grundlage diese Korrektur zu erfolgen hat, blieb bislang jedoch offen. Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 hat schließlich der Gesetzgeber auf diese Rechtsunsicherheit reagiert und ad hoc eine Korrekturvorschrift eingeführt. Nunmehr sind verfahrensrechtliche Fallstricke zu beachten.
III. Neue verfahrensrechtliche Fallstricke
Vereinfacht dargestellt, sieht der neu hinzugekommene § 16 Abs. 4a GrEStG vor, dass die bei Signing festgesetzte Grunderwerbsteuer jedenfalls dann aufzuheben oder zu ändern ist, wenn bei Closing der Tatbestand des § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG tatsächlich verwirklicht wird. Zu beachten ist, dass die Vermeidung der doppelten Grunderwerbsteuer somit an zwei Voraussetzungen geknüpft ist:
Anzeigepflicht
Die neue Korrekturvorschrift des § 16 Abs. 4a GrEStG kommt nicht zur Anwendung, wenn auch nur einer der Erwerbsvorgänge nicht fristgerecht und in allen Teilen vollständig angezeigt wurde (§ 16 Abs. 5 GrESG). Bei nicht vollständiger oder nicht fristgerechter Anzeige kann es daher von Gesetzes wegen zu einer Doppelbesteuerung kommen. Bei jedem Share-Deal sowohl zum Zeitpunkt des Signing als auch des Closing eine vollständige und fristgerechte Anzeigeerstattung notwendig.
Antragspflicht
Zur Vermeidung der Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer ist zudem ein Antrag zu stellen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist allerdings noch unklar, welche formalen Anforderungen an den Antrag (Form, Frist, Person des Antragsstellers, etc.) gestellt werden. In der Praxis wird man den Antrag parallel zur Anzeige des Closing-Vorgangs einreichen, wobei in einigen Fällen die Antragsteller andere Personen als die anzeigepflichtige Gesellschaft sein können.
IV. Konsequenzen für die Praxis
Im Rahmen von Share-Deal Transaktionen sind aus grunderwerbsteuerlicher Sicht neue verfahrensrechtliche Fallstricke zu beachten. Zur Vermeidung von Doppelbesteuerungs- und Haftungsrisiken ist neben einer neu hinzugekommenen Antragspflicht unbedingt darauf zu achten, dass sämtliche Erwerbsvorgänge vollständig und fristgerecht dem Finanzamt angezeigt werden. Das bedeutet, dass sowohl bei Signing als auch bei Closing eine Grunderwerbsteueranzeige zu erstatten ist. Bei grenzüberschreitenden Transaktionen ist diesbezüglich besondere Vorsicht geboten, da die Anzeigeverpflichteten auseinanderfallen können. Die neu eingeführte Korrekturvorschrift des § 16 Abs. 4a GrEStG gilt mangels Übergangsvorschriften rückwirkend auch für noch nicht abgeschlossene Fälle.
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